Europa bewegt
Findet noch jemand Europa sexy? O ja, die Studentinnen und Studenten an
den Hochschulen. Das gilt auch für das KIT: Mehr als 600 nehmen pro Jahr am
Austauschprogramm Erasmus+ teil, kommen ans KIT oder ziehen von hier aus los.
Klaus Rümmele hat mit einigen von ihnen gesprochen – und mit den Menschen, die
sie unterstützen.
Video: Patrick Langer, KIT
Die beliebtesten Ziele Spanien vor Schweden vor Frankreich – diese Reihenfolge gab es bei den Zielländern auch in den vergangenen Jahren mehrfach. Im Wintersemester 16/17 und im Sommersemester 17 machten sich insgesamt 382 Studierende des KIT mit Erasmus+ auf die Reise.
Grafik: Annika Müller, KIT
Jetzt erst recht
Jetzt erst recht
Das Erasmus+ Programm fördert den Austausch für ein Studium oder ein
Praktikum von bis zu zwölf Monaten pro Studienphase. Oft kommt es vor, dass
Studierende ihren ursprünglich geplanten Aufenthalt verlängern – etwa um ihre
Abschlussarbeit zu schreiben. Oder sie verbringen in der Bachelor-Phase ein
Semester am KIT und kommen in der Master-Phase noch einmal. Die Flexibilität
sei ein großer Vorzug des Programms, sagt Mia Tjandisaka, im International
Students Office (IStO) Koordinatorin für Studierende, die über Erasmus aus dem
Ausland an das KIT kommen: „Die Studierenden können die zwölf Monate aufteilen,
auch auf zwei Orte.“
Vor der Entscheidung für das KIT stellt sich vielen die Frage: „Wo
ist Karlsruhe?“ Da helfe es, meint Tjandisaka, wenn ein Outgoer seinen neuen
Kommilitonen begeistert vom KIT erzähle – zuletzt stieß ein Finne wieder so auf
das KIT. Auch die Erfahrungen ehemaliger
Studierender gäben oft den Ausschlag. Sie könnten positive Erlebnisse ebenso
authentisch vermitteln wie Schwierigkeiten: „Nie ist alles toll“.
Was Carina Seckler beim Praktikum in Paris erlebte.
„Wer sich
bewegt, bewegt Europa!“ In Zeiten der Europa-Skepsis und der populistischen
Angriffe auf die Europäische Union klingt das Motto des Deutschen Akademischen
Austauschdienstes (DAAD) zum 30. Geburtstag des Programms Erasmus+ ein wenig
trotzig. Für Dr. Julia Johnsen, Erasmus-Hochschulkoordinatorin am KIT, setzen
die Austauschstudierenden ein Zeichen: „Es werden immer mehr. Als würden sie
sich sagen: Jetzt erst recht!“
Mein Erasmus – Fotowettbewerb zu 30 Jahren Austausch
Viele treibe der Wunsch an, neues zu entdecken,
sagt Marco Martori, der sich um Studierende des KIT kümmert, die über Erasmus
ins Ausland gehen wollen. „Eine große Rolle spielt auch, dass viele ihre
Sprachkenntnisse verbessern wollen.“ Hinzu komme, so Julia Johnsen, dass viele
Arbeitgeber Wert auf Auslandserfahrung legten – sie biete also Jobvorteile:
„Gerade die Industrie will Leute, die wissen, was sie wollen und sich selbst
motivieren können“. Andererseits hätten aber viele Studierende das Gefühl, sie
dürften keine Zeit verlieren. „Erfahrung versus Zeitverlust – in diesem Spannungsfeld
beraten wir“.
Mehr Tipps für internationale Studierende am KIT auf Facebook.
Wenn Incomings das IStO um Unterstützung bitten,
geht es daneben oft auch um die Wohnungssuche und die Möglichkeit während des
Aufenthalts nebenbei Geld zu verdienen. Auf
dem ohnehin schon angespannten Wohnungsmarkt in Karlsruhe hätten es
ausländische Austauschstudierende besonders schwer, zum Teil auch, weil sie die
Sprache noch nicht beherrschten. Wer durchhält, weiß Koordinatorin Mia Tjandisaka,
„findet am Ende aber ein Zimmer.“
Foto: AK Erasmus
Am Ball bleibenWelche meiner Leistungen an der Partnerhochschule erkennt das KIT an? Diese Frage treibt viele Studierende um. Die Entscheidung liegt bei den KIT-Fakultäten. Sie gestalten mit den Studierenden eine Lernvereinbarung, die das KIT und die aufnehmende Hochschule schließen. Lorene Pioch, Leiterin des International Relations Office an der KIT-Fakultät für Wirtschaftswissenschaften, setzt dabei auf Transparenz.
Viele Informationen macht sie über die Webseite und
in speziellen Handreichungen zugänglich, sodass die Studierenden im Gespräch
mit ihr gezielte Fragen stellen können. Die Studierenden beantragen für jede
Leistung, die sie im Ausland erbringen und später am KIT anerkennen lassen
möchten, eine Anerkennungsvereinbarung beim jeweils zuständigen Prüfer. Alle geplanten
und abgesegneten Leistungen werden dann in einem standardisierten Formular, dem
Erasmus+ Learning Agreement, festgehalten. „Es ist wichtig, sich frühzeitig mit
der Kurswahl auseinanderzusetzen und die formalen Prozesse, an die wir gebunden
sind, rechtzeitig einzuleiten. Das gibt den Studierenden Sicherheit“, sagt
Lorene Pioch. Sollte sich vor Ort ein Kurs ändern, „kann alles per E-Mail
geklärt werden – auch hier ist die rechtzeitige Kommunikation durch die
Studierenden elementar für einen reibungslosen Ablauf“. Das Learning Agreement
werde aktualisiert und wieder unterschrieben – „so bleiben wir am Ball“.
Die Gefahr, dass sich das Studium wegen des
Auslandsaufenthalts verlängere, sei somit kleiner. Sie spielt für viele Studierende,
mit denen Lorene Pioch spricht, ohnehin keine allzu große Rolle: „Gerade die
Wirtschaftsingenieurinnen und -ingenieure wollen viele Erfahrungen in ihren
Lebenslauf aufnehmen.“. Die meisten Studierenden, die vom KIT mit
Erasmus+ ins Ausland gehen, kommen Jahr für Jahr aus den
Wirtschaftswissenschaften. Die KIT-Fakultät wählt unter den Bewerberinnen
und Bewerbern nicht nur nach Leistung und nach Engagement außerhalb des
Hörsaals aus, sondern berücksichtigt auch das in der Bewerbung geschilderte Studienvorhaben
und die Motivation. „Die Studierenden haben aber auch konkrete Vorstellungen –
viele suchen sich besonders prestigeträchtige Ziele aus.“ Sie motiviere sie,
auch andere Orte in Betracht zu ziehen. Denn bei Erasmus+, findet Lorene Pioch,
gehe es nicht in erster Linie um Karriere, sondern um Völkerverständigung.
Entscheidend sei die Erfahrung, in einem anderen Land, an einer anderen
Universität, in einem anderen System zurechtzukommen. Anderen Kulturen zu
begegnen, interdisziplinär zu arbeiten – zum Beispiel an vielen Partneruniversitäten in Frankreich,
wo das praktische Tun in kleinen Gruppen vorherrsche. „Dabei entwickelt sich
die Persönlichkeit“, sagt Pioch, die selbst in den USA war. Dass dies auch auf
dem Arbeitsmarkt hilft, ist für sie ein schöner Nebeneffekt.
Wie am gesamten KIT gehen auch in den
Wirtschaftswissenschaften mehr Erasmus-Studierende ins Ausland als ans KIT
kommen. „Viele internationale Studierende bringen nur sehr geringe
Deutschkenntnisse mit und suchen nach einem umfangreicheren englischsprachigen
Kursangebot. Ein weiteres Hindernis sind die unterschiedlichen Semester- und
Prüfungszeiträume, mit denen sich unsere Studierenden, die ins Ausland gehen,
aufgrund flexiblerer Studienpläne in der Regel freier arrangieren können“, glaubt
Lorene Pioch. Hinzu komme, dass Karlsruhe bei der Werbung um internationale
Studierende gegen Städte wie Berlin und München einen schweren Stand habe. Wer
ans KIT komme, sei von zwei Dingen überrascht: der freieren Kurswahl bei einem
sehr breiten und interdisziplinären Angebot und dem eigenständigen Lernen.
Viele gewöhnten sich schnell daran – und wollen es bald nicht mehr missen.
Foto: Privat
“Each Place Has Its Charm”Marta Maria Silva Barbas is studying Biomedical Engineering at Universidade de Lisboa in Portugal. In February, she did her exams. Afterwards, she came to KIT for her master’s thesis. She will stay in Karlsruhe until August and then continue her studies in Lisboa in October.
Marta, you have decided to do your master’s thesis at KIT. What are the
reasons for your choice?
Marta Maria Silva Barbas: I spent one
semester in Lübeck, my home university has a cooperation with the university
there. So I had some impressions of German universities. Also, a couple of
friends from Lisboa told me that KIT is a good university. It was even more
important that my professor in Lisboa, Mónica Oliveira, knew Professor Stefan
Nickel from the Department of Economics and Management at KIT. He works in the
field of clinical engineering, which I wanted my master’s thesis to focus on. In fact, they have published an
article together. They discussed the idea and both said: Yes, it’s ok. So I
applied in September.
What’s the topic of your master’s thesis?
Barbas: I want do develop a
simulation model that helps to
improve the emergency chain. Stefan Nickel suggested the topic. It includes a
comparison between Portugal and Germany. I will do interviews with experts and
analyze literature.
What is your motivation to go abroad?
Barbas: It’s always some kind
of an adventure. I like the new experience and getting to know people, you
learn to see things from a different perspective. In Lübeck, the majority of my
friends came from all the different corners of the world – I just met them
again in March. On the other hand, I’m
used to new surroundings, because I had quite a few school changes, I also have
travelled a lot. At my home university, it is normal to do an Erasmus exchange.
And I like Germany, its language and its culture.
What were the main challenges for you when you arrived in Karlsruhe?
Barbas: Finding a house. I
needed a place where I can work – first, I had a room in a residence hall, that
didn’t do. Now I found a place at the Karl-Wilhelm-Platz, it was announced on a
notice board.
Did you feel welcome?
Barbas: O-Phase helps a lot.
You see a lot of offices and facilities, which are important, for example the
City Hall. You also get to know many people. Sometimes it’s difficult to
arrange everything because in some banks or city administration units you do
not find anybody speaking English. KIT should talk to these institutions and
propose to change this. Generally, you find less English speaking people in
Karlsruhe than in the north of Germany.
What about your contacts among the students?
Barbas: I straight went to AK
Erasmus, I knew the student group from Lisboa. There, I met a lot of very
open-minded people. On the first day, I was invited to a party. You have a
strong feeling of community, you do things together. That makes integration
easy.
What would you give others as an advice?
Barbas: When you go abroad,
you should think about what you want to do before you choose a city. Some
cities are better places to work hard, in others you can have more parties. But
anyway, each place has its charm.
Foto: Manuel Blazer
„Ich glaube an Europa“ Pascal Stephan studiert ENTECH am KIT – seine Bachelor-Arbeit hat er an der Universität Skövde in Schweden geschrieben und von dort einen Abschluss mitgebracht. International soll es im Master weitergehen.
„Ich glaube an Europa“ Pascal Stephan studiert ENTECH am KIT – seine Bachelor-Arbeit hat er an der Universität Skövde in Schweden geschrieben und von dort einen Abschluss mitgebracht. International soll es im Master weitergehen.
Herr
Stephan, was hat Sie motiviert ins Ausland zu gehen?
Pascal Stephan: Ich
wollte es unbedingt vor dem Bachelor-Abschluss tun – damit ich während des
Studiums insgesamt zweimal ins Ausland gehen kann. Es war dann zwar klar, dass
ich den Bachelor nicht in sechs Semestern schaffe, aber was verliert man? Wenn
mich jemand fragt, warum ich acht Semester gebraucht habe, kann ich ihm von
meinen Erfahrungen im Ausland erzählen. Viele Kommilitonen sahen das auch so.
Sie sagten: Mach es!
Wie hat das KIT sie unterstützt?
Stephan: Das lief gut, ich habe viele allgemeine
Informationen bekommen. Viele wissen nicht, wie einfach es ist, ins Ausland zu gehen,
dass sie keine Studiengebühren zahlen und
zum Beispiel über Erasmus noch eine monatliche Förderung bekommen, dass sie
einen Sprachkurs besuchen können. Mir fehlten Erfahrungsberichte von
Bachelor-Studenten aus meinem Fach, die an der Hochschule in Skövde waren. Ich
werde meinen auf jeden Fall veröffentlichen.
Warum nach Schweden?
Stephan: Meine erste Wahl war Schottland, aber dann hat
mir die KIT-Fakultät für Maschinenbau Skövde in Schweden vermittelt. Es liegt
auf der Diagonalen von Göteborg nach Stockholm, zwischen den beiden größten
Seen Schwedens. Die Hochschule hat knapp 10.000 Studierende, viele Kurse sind
entspannt und angenehm klein. Die Stadt hat 40.000 Einwohner und die größte
Produktionsstätte von Volvo. Es ist ein guter Ausganspunkt für Ausflüge, auch
in den Norden Schwedens oder nach Oslo.
Warum haben Sie für ein Semester verlängert?
Stephan: Meine spanischen Kommilitonen haben mich
motiviert. Es gibt spanische Universitäten, die eine Kooperation mit Skövde
haben – ihre Studenten konnten einen Doppelabschluss erwerben. Das wollte ich
auch. Die Erlaubnis, die Abschlussarbeit in Skövde zu schreiben, kam schnell –
ich habe sie in englischer Sprache geschrieben, das hätte ich mich am KIT nicht
getraut. In Karlsruhe stand kurz in Frage, ob das KIT meine Abschlussarbeit
akzeptiert – aber das hat sich dann auch geklärt. Die größte Hürde war die
Zusage, dass mir die Hochschule auch ein Zeugnis ausstellt – sie kam erst einen
Tag vor meinem Weihnachtsurlaub. Ich musste kämpfen und meine Leistungen und
Credits in Karlsruhe belegen. Ich habe mich wirklich als Pionier gefühlt. Die
Erasmus-Gelder liefen zum Glück weiter, selbstverständlich ist das bei einer
ungeplanten Verlängerung nicht.
Welche besonderen Herausforderungen gab es in
Schweden?
Stephan: An meinem ersten Tag wäre ich am liebsten
gleich wieder nach Hause gefahren. Ich bin mit dem Auto angereist und war ein
paar Tage vor der Einführungswoche da. Das hatte ich zwar per Mail angekündigt,
trotzdem traf ich kaum jemanden an, der mir hätte helfen können. Hätte ich
nicht den Sohn des Hausmeisters getroffen, der mir den Schlüssel für ein Zimmer
gab, hätte ich in der ersten Nacht im Auto schlafen müssen.
Was waren für Sie die bemerkenswertesten
Eindrücke?
Stephan: Die Natur ist fantastisch – ich war oft
laufen und joggen. Ich fand es toll, das Land kennenzulernen – die Kultur, die
Sprache, das Essen. Der Norden war besonders beeindruckend – die Polarlichter
werde ich nie vergessen. Und dann habe ich viele Freunde aus verschiedenen
Ländern gewonnen – ein Holländer hat mich neulich in Karlsruhe besucht, ich bin
zu einem Freund nach Istanbul gefahren, den ich in Skövde kennengelernt habe.
Haben Sie sich willkommen und integriert
gefühlt?
Stephan: Ja, ich habe viel Unterstützung in Skövde
erfahren. Auch bei der heiklen Frage nach dem Abschluss waren die Mitarbeiter
der Hochschule immer hilfsbereit. Ich hatte in den Kursen gute Kontakte zu schwedischen
Kommilitonen.
Sind Ihre Leistungen in Schweden am KIT
anerkannt worden?
Stephan: Ja, ich habe mit einem Professor gesprochen und
musste dann noch Überzeugungsarbeit leisten, da ich in manchen Kursen Assignments
geschrieben habe, keine Klausuren. Ich konnte es von Schweden aus aber per
E-Mail klären, leider nicht vorab.
Was nehmen Sie mit?
Stephan:
Schweden hat mich zum Denken angeregt.
Ich mache meinen Master in dem internationalen Studiengang ENTECH und studiere
im September in Lissabon weiter. Ich habe gemerkt, dass ich mehr
Internationalität will und etwas anderes als ein reines
Maschinenbau-Masterstudium am KIT brauche. Und das Jahr hat meinen Glauben an
Europa gestärkt: Bei der jetzigen Studierendengeneration funktioniert es.
Erasmus bringt Erfahrungen, die uns prägen.
Mitten im Nirgendwo
In
Norwegen hat Franziska Schäfer Wale und das Nordlicht gesehen – und gelernt, sich
zu entspannen. Über das Erasmus-Austauschprogramm bekam sie einen Platz in Tromsø. Klaus
Rümmele hat mit ihr gesprochen.
Fotos: Franziska Schäfer
„Mir ging es nicht in erster Linie darum zu studieren.“
„Mir ging es nicht in erster Linie darum zu studieren.“
Der Studiengang Wissenschaft – Medien – Kommunikation am KIT ist jung. Franziska Schäfer gehörte zu den ersten Bachelor-Absolventinnen. Für den Master ist sie Fach und Ort treu geblieben. „Ich wollte aber auch noch etwas anderes sehen“, sagt sie. Neue Leute, ein neues Land kennenlernen. Sie landete im hohen Norden, in Tromsø. 75.000 Menschen leben in der Stadt, 12.000 sind Studentinnen und Studenten. Die Kooperation zwischen der Universitetet i Tromsø und dem KIT ist ein zartes Pflänzchen, das Kontingent an Plätzen nicht ausgeschöpft, das Formale eine Herausforderung. Aber mit großer Unterstützung des International Students Office kam sie an die Hochschule mit dem schönen Kosenamen: Norwegens arktische Universität.
Das Erlebnis einer faszinierenden Natur schwingt mit, wenn Franziska Schäfer erzählt. „Es war ein Abenteuer für mich“, auf dass sie sich nach guten Erfahrungen während eines Praktikums in Cambridge freudig einließ. Die Frage, welche Kurse in Tromsø am KIT anerkannt würden, war aufgrund des speziellen Profils des Studiengangs Wissenschaft – Medien – Kommunikation lange offen. Doch das konnte sie nicht abhalten: „Mir ging es nicht in erster Linie darum zu studieren.“
Sie unternahm Touren in die Wildnis außerhalb der Stadt, per Anhalter und zu Fuß. Oft fühlte sie sich „mitten im Nirgendwo“. Sie erkundete Fjorde, stieg auf Berge und fuhr Schlittschuh. Und merkte, wie sie „gechillter“ wurde. Dabei hatte nicht nur die Natur diese Wirkung auf sie, sondern auch die Menschen.
So sei es für die Studierenden selbstverständlich, den Blick über ihr Fach hinaus zu öffnen – für andere Disziplinen im breiten Spektrum der Universität, aber auch für kulturelle Angebote wie zum Beispiel Musikfestivals. In Deutschland, findet Franziska Schäfer, „wird das Studium doch sehr ernst genommen.“ Auch der Umgang zwischen Dozierenden und Studierenden sei lockerer: „Sie duzen sich. Und Kritik der Studierenden ist ganz normal.“
Der Einstieg in Tromsø fiel Franziska Schäfer leicht. „Die Organisation war toll“, erzählt sie, die Menschen empfingen sie sehr herzlich. Sie wurde vom Flughafen abgeholt und bekam einen Wohnheimplatz. Schnell fand sie auch Kontakt zu weiteren Austauschstudierenden, die meisten kamen wie sie aus Deutschland: „Wir haben viel zusammen unternommen.“ Die größte Herausforderung war das Geld: „Norwegen ist richtig teuer, gerade auch Tromsø.“
Nach diesen Erfahrungen steht für Franziska Schäfer fest: Sie will ihre Masterarbeit im Ausland schreiben. Sie bewirbt sich um einen Platz im Sommersemester 2018 – in Portugal. Sie wird englischsprachige Kurse besuchen, auch die Arbeit wird sie in englischer Sprache verfassen. Und doch besucht sie schon jetzt einen Sprachkurs in Portugiesisch. Denn Land und Leute will sie wieder genau kennenlernen.
Hier könnt ihr euch das Interview mit Franziska Schäfer anhören.
Shoppen im Modulhandbuch
Shoppen im Modulhandbuch
Mehr als 20 Jahre ist es her, dass Andrei
Miclaus seinen Wissensdurst zum ersten Mal in Karlsruhe stillte – in der
Grundschule. Als Erasmus-Student kam er wieder, heute promoviert er am KIT.
Mit seiner Mutter und seinem Bruder
folgte Andrei in den 90ern seinem Vater, der an der damaligen Universität in
Chemie promovierte. Andrei besuchte die erste Klasse der Gartenschule, nach
einem Jahr kehrte die Familie wieder nach Cluj-Napoca in Rumänien zurück.
Aber Karlsruhe ließ ihn nicht mehr los
– elf Jahre und viele gute Noten später absolvierte er mit einem Stipendium der
Donauschwäbischen Kulturstiftung des Landes Baden-Württemberg die 12. Klasse
des Heisenberg-Gymnasiums. Nach dem Abitur in seiner Heimatstadt kam er für das
letzte Jahr seines Bachelor-Studiums der Informatik wieder nach Karlsruhe,
dieses Mal über das Erasmus-Programm ans KIT. Er musste einiges dafür tun, dass
das klappte – einen Vertrag zwischen dem KIT und der Technischen Universität in
Cluj gab es nicht, am Telefon überzeugte er selbst das International Students
Office davon, es mit ihm zu probieren. Unterlagen gingen hin und her, in Cluj
wie in Karlsruhe musste er viele Stellen abklappern, bis alles unter Dach und
Fach war. Andrei fühlt sich als Pionier: „Heute geht es einfacher, bei meinem
Bruder reichten zwei E-Mails.“
Andrei blieb zwei Semester, „da kriegt
man mehr mit“. Er genoss die Freiheit, sich auch Veranstaltungen anzusehen, die
nicht zu seinem Studienfach gehörten: „Du kannst im Modulhandbuch shoppen
gehen“. Seine rumänische Heimatuniversität rechnete ihm viele seiner Leistungen
in Karlsruhe an, auch manche, in denen er am KIT keine Not bekommen hatte: „Ich
musste die Inhalte des Kurses erläutern, dann wurde es akzeptiert.“
Er legte die Bachelor-Prüfung in Cluj
ab, beantragte anschließend eine Arbeitserlaubnis für Deutschland und bewarb
sich um einen Master-Studienplatz am KIT. Im Januar 2012 begann er ein
Praktikum in Karlsruhe, im April nahm er das Master-Studium auf. Nebenher
arbeitete er als Werkstudent bei einer Karlsruher Internetfirma, bis er im
zweiten Semester ein Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes
(DAAD) erhielt und einen Job als studentische Hilfskraft am KIT annahm. So finanzierte er sich sein Studium, das er
2015 abschloss. Während der Masterphase wählte er das Modul
„Praxis der Forschung“. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) förderte
sein Projekt als SoftwareCampus-Vorhaben, so konnte er eng mit der Industrie
zusammenarbeiten: „Ich finde es bemerkenswert, dass einem das KIT solche Chancen
bietet.“
Doch damit nicht genug – gegen Ende
des Studiums hatte er einen Vortrag über das Internet der Dinge gehört und sein
Thema für die Promotion gefunden: „Zu sehen, wie viel möglich ist, wie komplex
die High-Tech-Entwicklung ist – und ich bin mittendrin.“ Dass der Umgang der
Menschen in der Forschung angenehm ist, die Professorinnen und Professoren
fair, das schätzt er. Auch Karlsruhe mag er, wenn ihm auch Technik und
Naturwissenschaft in der Stadt manchmal fast zu dominant sind.
Studium und Forschung in Karlsruhe
lassen ihn so gespannt wie gelassen in die Zukunft schauen: In einem hippen
Unternehmen würde er gerne arbeiten – oder selbst eine Firma gründen. Neue webbasierte
Technologien werden sein Thema bleiben – „im digitalen Wandel liegt die Zukunft
Deutschlands.“ Und an dem Rad will er mitdrehen.
Fotos: Andrei Miclaus
Zwischen Amtsbesuch und Abtanzen
Zwischen Amtsbesuch und Abtanzen
Der Arbeitskreis (AK) Erasmus hilft internationalen Studierenden bei der Ankunft in Karlsruhe und am KIT. Ein wichtiges Ereignis ist die O-Phase – Stephanie Rich, Denise Wussler und Florian Többen organisierten das Programm im März.
Wenn Studierende ins Ausland gehen wollen, fragen sie sich
vor allem: Was haben andere erlebt? „80 Prozent der Outgoer, die in unsere Sprechstunde
kommen, fragen nach Erfahrungsberichten“, erzählt Florian Többen vom AK Erasmus.
Die Hochschulgruppe bietet auch Grillabende, Stammtische und International
Dinners an, bei denen Incomer und Outgoer persönliche Eindrücke und praktische
Tipps mitnehmen und weitergeben können.
Aus erster Hand können die Austauschstudierenden auch
erfahren, was Karlsruhe ausmacht und wie sie Einheimische kennenlernen können:
im Buddy-Programm, das der AK Erasmus anbietet. Die Hochschulgruppe bringt
jeweils einen deutschen Studenten oder eine deutsche Studentin mit einem Incomer
zusammen, die sich selbstständig verabreden und zusammen etwas unternehmen.
Florian Többen hat seinen Buddy in den ersten beiden Wochen schon dreimal
gesehen – „so gut klappt es jedoch nicht immer“.
Florian Többen, der selbst in Island war, gehört zu den rund
30 Aktiven im AK Erasmus. Sie organisieren Ausflüge, zum Beispiel zum
Cannstatter Wasen, und laden zu Cultural Fridays ein. Über Facebook halten sie
die Austauschstudierenden auf dem Laufenden. Während der internationalen
O-Phase bündelt die Hochschulgruppe, die dabei mit dem International Students
Office (IStO) am KIT zusammenarbeitet, alle Kräfte: Im März kamen 170
Studierende aus der ganzen Welt, um sich in der Stadt und den Hochschulen
einzufinden. „Ich habe 14 Tage wenig geschlafen“, sagt Többen.
Im Dezember begannen er, Stephanie Rich und Denise Wussler
mit der Organisation. Im Januar trafen sie sich mit den Tutorinnen und Tutoren
– ebenfalls Mitglieder im AK oder erfahrene Outgoer. Die Tutoren lernten sich
kennen und erfuhren, worauf sie achten müssen – welche Infos über Karlsruhe und
Deutschland wichtig sind, aber auch auf welche kulturellen Unterschiede sie
achten müssen: „In China gehen die Studenten nicht so häufig feiern oder auf
eine Party wie die deutschen Studenten“, sagt Denise Wussler, die selbst in dem
Land studiert hat.
Der Großteil der etwa 70 Tutorinnen und Tutoren „hat sehr
viel Zeit investiert“, sagt Denise Wussler. Eine Hälfte betreut die
Neuangekommenen in Gruppen, auf 20 neue Studierende kommen etwa fünf Tutoren. Tagsüber
gehen sie mit den internationalen Studierenden zu wichtigen Stationen auf dem
Campus – die Bibliothek, die Mensa – und in der Stadt – Schloss, Museen und
Kneipen. Sie unterstützen sie bei der Einschreibung und bei der Eröffnung eines
Bankkontos. Dabei sind sie zur Stelle, wenn es Probleme gibt – so half ein
Tutor einem amerikanischen Studenten bei der Registrierung im Rathaus, dessen
Visum abgelaufen war. Die andere Hälfte der Tutorinnen und Tutoren organisiert
Events. Und davon gibt es eine ganze Menge: Partys, Spiel- und Spaß-Turniere, ein
echtes bayrisches Weißbier-Frühstück, zünftig mit Blasmusik, Dirndl und
Lederhose.
Nicht alle Studierenden waren das ganze Programm über dabei,
manche pickten sich nur das eine oder andere heraus. Wichtig ist, findet
Florian Többen, dass die Studierenden die Möglichkeit nutzen, andere
kennenzulernen: „Wer das verpasst, fühlt sich allein.“
Wenn es die Dankbarkeit der neuen Studierenden spürt, weiß
das Team im AK Erasmus, dass sich die Anstrengung gelohnt hat. „Es ist auch toll
zu sehen, wie man sich gegenseitig hilft“, erzählt Denise Wussler. Während der
O-Phase entstünden viele Freundschaften – „ich habe jetzt noch Kontakt zu
Studierenden aus meinen Gruppen der vergangenen Jahre“, sagt Florian Többen. Das
gemeinsame Erlebnis, findet Denise Wussler, „schweißt zusammen“.
Fotos: AK ERASMUS